Babysitter by Oates Joyce Carol
Autor:Oates, Joyce Carol [Oates, Joyce Carol]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Ecco Verlag
veröffentlicht: 2024-03-19T00:00:00+00:00
Warten
Und nun das Warten.
Einen Tag und eine Nacht, noch einen Tag und noch eine Nacht: nichts Neues von dem vermissten Kind.
Alle vorherigen sieben Babysitter zugerechneten Entführungen endeten tödlich. Leblose Kinderkörper, nackt, in Rückenlage öffentlich auf eine Weise präsentiert, die das neunzehnte Jahrhundert wachruft, die Schönheit und Klarheit der Gesichter auf Fotografien toter Kinder.
Die kürzeste Zeitspanne zwischen der Entführung eines Kindes und der Entdeckung seiner Leiche betrug drei Tage. Die längste elf.
Hannah will es nicht wahrhaben. Sie will nicht nachdenken.
Kurz vorm Einschlafen nimmt sie sich vor, nicht zu träumen.
Wie wäre es, die Mutter des vermissten Kindes zu sein.
Wie wäre es, das vermisste Kind zu sein.
Ein neuer Morgen, ein neuer Tag, von dem man nicht weiÃ, was er bringt. Solange der Leichnam nicht gefunden wird, ist das vermisste Kind noch am Leben.
Wie wäre es, Hoffnung zu haben.
Hannah kann nur an ihre Kinder denken. Sie muss verhindern, dass sie davon erfahren. Jetzt im Sommer ist keine Schule, und es ist nicht schwierig, die Kinder zu Hause zu behalten, sich herauszureden, wenn man sie nicht zu ihren Freunden fährt und ihren Freunden nicht erlaubt, sie zu besuchen; es ist nicht schwierig, weil die anderen Eltern ihre Kinder auch zu Hause behalten.
Ihr graut vor der Vorstellung, dass sie es erfahren: Einem Kind, das nicht weit von ihnen entfernt lebt, einem Kind, das ihre Schule besucht, ist etwas Schreckliches passiert.
Ja, aber der Junge ist älter. Geht im September in die fünfte Klasse.
Kaum ist Wes am frühen Abend zur Tür herein, schaltet er die Lokalnachrichten ein und schaut um elf noch mehr Nachrichten. Hannah hält sich fern, bleibt auÃer Hörweite in einem anderen Zimmer, geht zu Bett und wappnet sich gegen einen lästerlichen Aufschrei von unten, Zeichen dafür, dass der Leichnam des vermissten Jungen gefunden wurde.
Aus unruhigem Schlaf auffahrend, vernimmt sie leise Stimmen und stellt fest, Wes ist aufgestanden und hört in seinem Büro im Erdgeschoss leise Radio.
Vor den Fenstern Dunkelheit. Nicht die Dunkelheit, die dem Morgengrauen vorausgeht, sondern pechschwarze Nacht. Hannah ist erstaunt, es ist drei Uhr vierzig.
Dieses Interesse an »Nachrichten« sieht Wes gar nicht ähnlich. Dieses Interesse am Leben fremder Menschen.
Er hat auch Angst. Babysitter, so nahe.
Und: Zum ersten Mal hat Babysitter eins von unsren genommen.
Wieder oben im Schlafzimmer, hebt Wes die Hand und verlangt Hannahs Aufmerksamkeit: »Hannah.«
»Ja?«
»Schau mal.«
Ernst zieht er einen Schlüssel aus der Schublade seines Nachttischs, hält ihn hoch, damit sie ihn deutlich sehen kann, dirigiert ihren Blick dann zu der Mahagoni-Kredenz an einer Wand des Schlafzimmers, schlieÃt dort eine Tür auf und holt die Waffe hervor, die sie nicht mehr gesehen hat, seit er sie vor Monaten gekauft hat.
Dieses Mal schaut sie sich genauer an, was er ihr da hinhält: einen Revolver, Smith & Wesson, eine 44er Magnum. Blauschwarze Politur, kurzer Lauf. Stets geladen, die Sicherung auf »an«. Wes führt ihr vor, wie man die Waffe in der Hand hält, die Sicherung auf »aus« stellt.
»Siehst du? Schussbereit.«
Hannah erschauert vor Angst, sieht sich schon die schussbereite Waffe in der zitternden Hand halten.
»Ich werde â wir werden â nur Gebrauch davon machen, wenn jemand ins Haus einbricht und unsere Familie in Gefahr ist.
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